(29.10.11)
Die Diskussionen um Fan-Ausschreitungen im Fußball sind nicht neu, aber wieder brandaktuell (siehe Hannover-München, Dortmund-Dresden, Frankfurt-Kaiserslautern). DFB und DFL sind entsetzt. DFB-Präsident Theo Zwanziger spricht von einer „erschreckenden Entwicklung “ und Reinhard Rauball, der Ligavorsitzende, konstatiert, dass die gewaltbereite Szene deutlich größer sei als bisher angenommen. Der gängige Irrglaube, die Gewaltbereitschaft sei per Dialog in den Griff zu bekommen, ist gescheitert oder zumindest an seine Grenzen gestoßen. Das Gewaltpotential ist so nicht in den Griff zu bekommen. Nun werden schärfere Sanktionsmaßnahmen verlangt.
Das Wort Fan, ein Anglizismus, hat eine gewisse Nähe zu „fanatic „ dem Fanatiker, deswegen werden in England Fans auch lieber „supporters“ genannt, was so viel wie Unterstützer, Verteidiger oder jemand, der sich für etwas einsetzt, bedeutet. Unabhängig davon, wie Besucher eines Fußballspiels definiert werden, bestehen gewaltige Unterschiede zwischen den einzelnen Stadiongehern. Es gibt Zuschauer, die am Fußballsport interessiert sind, und es gibt Zuschauer, die nur an einer Mannschaft fußballerisch Gefallen finden und diese entsprechend unterstützen. Letztere werden im positiven Sinn „Fans“ genannt. Darüber hinaus fallen Besucher von Fußballspielen auf, die zwar fanatisch mit einer Mannschaft sympathisieren, aber sich genauso fanatisch gegen sie wenden können - die entsprechenden Sitzstreiks und Pöbeleien gegen den eigenen Verein, dessen Spieler und Verantwortliche sind ja hinreichend bekannt. Zudem pflegen sie einen kollektiven Narzissmus, in Form von Selbstinszenierung in der Gruppe. Sie sind weniger am Sport interessiert als an der kollektiven Zurschaustellung von Ritualen: Sprechchöre, Transparente, Fahnen, Kleidung, etc., bis hin zum Abschießen von Feuerwerkskörpern, Bengalischen Feuern, und besondere „Helden“ setzen auf den Einsatz von Laserpointern. Das Wort „Schlachten- Bummler“ bekommt hier seine eigene und zutreffende Bedeutung. In solchen Gruppierungen, die häufig Ultras genannt werden, tummelt sich zudem immer wieder faschistisches Gedankengut, was einen weiteren traurigen Tatbestand darstellt. Die Diskussion über solche Problemgruppen wurde auch deshalb wieder intensiver, weil die Gewerkschaft der Polizei steigende Verletztenzahlen, nicht nur aus ihren eigenen Reihen, bei Fußballbegegnungen zu beklagen hat. Die Rezeptur zur Behebung von Ausschreitungen ist verschiedener Art. Die Vereine wollen neuerdings die saftigen Geldstrafen, die DFB und DFL bei “ Fan“-Gewalttätigkeiten aussprechen , auf die entsprechende Klientel umlegen, während Fan-Betreuer und Fan-Forscher seit Jahren zu mehr Kommunikation und sanftem Umgang mit den „Fans“ raten. Nur war das bisher wenig hilfreich. Angeblich sind es ja nur wenige, die stören. Schaut man sich die Bilder Woche für Woche an, hat man Zweifel an der Diagnose und der Therapie. Welche Wut, welcher Massenhass der gegnerischen Mannschaft entgegengebracht wird, lässt sich nicht mehr im kommunikativen Gespräch und über den Eintrittspreis regeln. Wer Spielregeln nicht einhalten kann, der, so ist es zumindest im Fußball, wird per Roter Karte vom Platz verwiesen, sprich in diesem Fall aus dem Stadion. Warum die Vereine gegenüber ihren „Fans“ bisher so nachgiebig waren, ist mir ein Rätsel. Sie sollten konsequent auf jene verzichten, denen der Sport völlig egal ist, die nur ihr eigenes Süppchen köcheln und letztlich den Vereinen auf der Nase herum tanzen. Schließlich haben die Vereine Hausrecht, da kann es nicht darum gehen, dass zum Selbstverständnis von Fangruppen die Vermummung und der Feuerwerkskörper zählen. Wer sich nicht benehmen kann, muss erzogen werden. Das heißt massive, langanhaltende Stadionverbote, erkleckliche Geldstrafen sowie soziale Arbeit. Hier müssen DFB, DFL und die Vereine eine klare und vor allem einheitliche Sprache sprechen. Wer am Fußball nicht interessiert ist, muss draußen bleiben.
Michael Ramm